
Am vergangenen Mittwoch veranstaltete das Forum für internationale Sicherheit Heidelberg einen Diskussionsabend zum Thema Klimawandel und Sicherheitspolitik im Institut für Politische Wissenschaft am Campus Bergheim.
Das Format Diskussionsabend ist eines der regelmäßig bespielten Formate des FiS und setzt sich aus einem kurzen Einführungsvortrag durch FiS-Mitglieder und den anschließenden Diskussionen in mehreren Gruppen zusammen.
Zur Einführung erklärten FiS-Mitglieder, dass der menschengemachte Klimawandel global Leben kostet und Überschwemmung, Gletscherschmelze, Umweltkatastrophen und Wüstenbildung mit sich bringt. Im Zusammenhang von Klimawandel mit Sicherheitspolitik wurden vor allem Ressourcenfragen wie die Privatisierung von Wasser, Verknappung von Ressourcen und Konflikte darüber thematisiert. Außerdem führten die FiS-Mitglieder aus, dass der ökologische „Stiefelabdruck“ des Militärs ein substanzieller aber häufig zu wenig thematisierter Aspekt des Klimawandels ist – insbesondere durch Sekundäremissionen wie Waldbrände und Fluchtbewegungen. Diese spielen neben den offensichtlichen Auswirkungen von Krieg auf die Umwelt eine wesentliche Rolle. So wurden im Russland-Ukraine Konflikt seit Kriegsbeginn geschätzte 16 Tonnen CO2 durch Waldbrände ausgestoßen, zuvor waren es lediglich 2 Tonnen. Fluchtbewegungen von russischen und ukrainischen Flüchtigen lösten seit Kriegsbeginn circa 3 Megatonnen CO2 Emissionen zusätzlich aus.
Mit dieser Wissensgrundlage starteten die zwei Gruppen in die Diskussionsrunden – die erste davon zum Thema Klimawandel fordert Sicherheitspolitik. Eingehend wurde festgehalten, dass Klimawandel im Kontext von Sicherheitspolitik kaum eine Rolle im Privatleben der Anwesenden spielt. Die Beobachtung von Überschwemmungen des Neckars und heißes Wetter wie am Tag des Diskussionsabends lassen einen die Auswirkungen des Klimawandels zwar spüren, sind jedoch im Vergleich zu anderen Regionen der Welt aushaltbar. Daraus schlussfolgerte die Gruppe eines der größten Probleme am Diskurs über den Klimawandel: die schwelende Krise landet durch ihre bisher nicht im großen Stil existenzbedrohenden Auswirkungen zu weit unten auf der Agenda in Medien, Politik und Bevölkerung, teilweise nimmt die Aufmerksamkeit im Vergleich zu vergangenen Jahren sogar schon wieder ab.
Zur Frage, welche Rolle Europa und Deutschland im Umgang mit dem globalen Problem spielen, waren sich alle einig, dass gerade die EU zentral im Konflikt ist. Dazu kann pragmatisch gesagt werden, dass Europa am meisten von Fluchtbewegungen betroffen sein wird und gleichzeitig andere große Mächte der Welt fehlende Bereitschaft zur Handlung haben. Normativ muss aber auch betont werden, dass besonders im deutschen Kontext eine Verantwortung herrscht, sodass eigene Bemühungen nicht reduziert werden sollten, weil andere Staaten der Welt einen größeren Einfluss auf den Klimawandel haben. Außerdem muss der Begriff Klima per Definition immer über längere Zeit betrachtet werden – geschichtlich stoßen europäische Staaten schon sehr viel länger Emissionen aus, als es beispielsweise der globale Süden tut.
Zu Ressourcenkonflikten wurde diskutiert, ob und wie weit dies aktuell geschieht. Als Beispiel wurde Nestlé angeführt, das in afrikanischen Staaten Wasservorkommen kauft und damit privatisiert. Dass eine Kooperation, beispielsweise bezüglich Fluchtbewegungen, mit Staaten, die von westlichen Firmen ausgebeutet werden, sehr unwahrscheinlich ist, ist neben der moralischen Frage von Ressourcenprivatisierung ein wichtiger Aspekt.
Inwiefern Europa zum Beispiel aus kolonialer Schuld aber auch zur Kompensation der Ausbeutung unterstützen sollte, war umstritten. Einerseits geschieht in der Entwicklungszusammenarbeit der EU, in der nicht unbedingt die bedürftigsten Staaten, sondern die ehemaligen Kolonien unterstützt werden, genau dies bereits jetzt schon als „Schuldausgleich“, allerdings ist dies in stärkerem Maß schwer an die europäische Bevölkerung vermittelbar – besonders in Bezug auf die vergangene Diskussion um Radwege in Peru in Deutschland. Außerdem liegt eine gewisse Doppelmoral darin, Staaten auszubeuten und sie dann bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Zusammenfassend sollte also auch ein stärkerer Fokus auf Beschaffungsmaßnahmen gelegt werden, da erneuerbare Energien und Emissionsvermeidung allein nicht reichen, um alle Auswirkungen des bereits anhaltenden Klimawandels zu bewältigen.
Abschließend wurde in der ersten Runde diskutiert, ob man zu wenig vom Erfolg in der Klimawandelbekämpfung mitbekommt. Dazu wurde erläutert, dass die ursprünglichen Prognosen über bis zu sechs Grad Celsius Erderwärmung bereits zurückgenommen und verringert wurden. Die Gefahr, dass auf breitere Berichterstattung über Erfolge ein Zurücklehnen folgt, ist real, allerdings könnte dies ebenfalls als Motivation zu weiteren Anstrengungen gesehen werden.
In Runde zwei zum Thema Militär, Kriege und Klimawandel, wurden eingehend die Waldbrände in der Ukraine thematisiert, die wohl als Folge von Waffen und Explosionen, aber auch von gezielten Angriffen auf flammbare Infrastruktur wie Energiespeichern auftreten. Über die Rolle von solchen Erkenntnissen über militärische Emissionen waren sich alle einig, dass diese im Krieg praktisch keine Rolle im Diskurs spielen, da die unmittelbare Gefahr, das Verlieren des Krieges, bedrohlicher als die schwelende Gefahr des Klimawandels wirkt. Da momentan die meisten Staaten aufrüsten, wäre eine Umsetzung eines nachhaltigen Militärs auf europäischer Ebene aktuell undenkbar. Technisch wären elektrische Panzer zwar umweltfreundlicher und taktisch sinnvoll, die Beschaffung seltener Erden und die Nutzung von altem Kriegsgerät wie in Russland zeigen aber, dass solche Maßnahmen wenig zu einem nachhaltigen Militär beitragen würden.
Ob eine CO2 Steuer für das Militär sinnvoll wäre, wurde ebenfalls mit großer Einigkeit diskutiert. In Zeiten, in denen viele EU Staaten Schulden machen müssen, um aufzurüsten, wird dafür keine politische Mehrheit vorhanden sein. Über Rüstungsexporte mit CO2 Steuer lässt sich diskutieren, allerdings sind Militär beziehungsweise Aufrüstung und Nachhaltigkeit grundsätzlich schwer vereinbar, vor allem durch die oben behandelten Sekundäreffekte. Parallelen wurden zur Beton-Produktion gezogen, die auch viel CO2 ausstößt. Die Konsequenz dessen ist jedoch, dass weniger Beton verwendet werden sollte, genauso, wie für Nachhaltigkeit weniger Krieg und Aufrüstung stattfinden sollte, was aktuell undenkbar ist. Klimawandel dient nämlich nicht als Druckmittel, Kriege zu beenden, da der Wille, Menschensterben zu verhindern höher ist, als zur Bekämpfung des Klimawandels. Er lässt sich also lediglich als rhetorisches Druckmittel nutzen, Europa kann es sich aber im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Militärs nicht leisten, sein Militär grün zu gestalten. Außerdem würde ein grünes Militär weniger Anreiz dazu bieten, Aufrüstung und Krieg zu reduzieren, da umwelttechnische Gründe dann keine Rolle mehr spielen würden.
Dass die EU eine grüne Armee durchsetzen kann, hielten alle für unwahrscheinlich. Dieses hätte aktuell keinen realen Gegenspieler und würde nur innerhalb Europas funktionieren, nicht aber in anderen Regionen der Welt oder in Kooperation mit anderen Militärs. Allerdings sind gemeinsame europäische Initiativen wie das gemeinsame Beschaffungswesen durchaus eine sinnvolle und gleichzeitig nachhaltige Maßnahme, um Beschaffungswege zu verkürzen oder um Recycling von beispielsweise Munition zu vereinheitlichen. Abschließend wurde jedoch noch einmal betont, dass ein grünes Militär nicht wettbewerbsfähig sein kann und Krieg sowie Aufrüstung inhärent nicht mit Nachhaltigkeit und Klimaneutralität vereinbar sind. Außerdem wäre ein nachhaltiges Militär schädlich dabei, einen Konflikt zu beenden. Moralisch lässt sich fragen, ob nachhaltiger Krieg wirklich in unserem Sinne des Begriffs ist.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden für euer Kommen trotz des heißen Wetters und natürlich danke an die FiS-Mitglieder, die den Diskussionsabend organisiert haben.